Covid-19-Impfstoffe: Warum unterschiedliche Technologien wichtig sind

Alle in Entwicklung befindlichen Covid-19-Impfstoffkandidaten beruhen auf bereits bekannten Ansätzen

Wien, 26. Novem­ber 2020. Vie­le welt­wei­te gemein­sa­me Anstren­gun­gen von Behör­den, wis­sen­schaft­li­chen Insti­tu­tio­nen und der phar­ma­zeu­ti­schen Indus­trie haben es mög­lich gemacht: Rund um den Jah­res­tag der ers­ten bekann­ten Covid-19-Fäl­le konn­ten Wirk­sam­keits- und Ver­träg­lich­keits­da­ten aus Pha­se-III-Stu­di­en der ers­ten Impf­stoff­kan­di­da­ten ver­öf­fent­licht wer­den. Drei Impf­stoff­kan­di­da­ten sind im Rol­ling Review der euro­päi­schen Zulas­sungs­be­hör­de. Ers­te Zulas­sun­gen könn­te es noch die­ses Jahr geben. Wei­te­re wer­den ver­mut­lich bald fol­gen. Damit könn­te die Hoff­nung der Behör­den und der Indus­trie auf­ge­hen, tat­säch­lich in abseh­ba­rer Zeit meh­re­re Impf­stof­fe zur Ver­fü­gung stel­len zu kön­nen, die auf gänz­lich unter­schied­li­chen Tech­no­lo­gien basie­ren.

Neue Impf­stof­fe – alte Ansät­ze
„Neu ist die Ent­wick­lung von Impf­stof­fen gegen Covid-19, die ange­wen­de­ten Tech­no­lo­gien sind aller­dings bereits bekannt“, erklärt Mag.a Renée Gal­lo-Dani­el, Prä­si­den­tin des Ver­ban­des der Impf­stoff­her­stel­ler (ÖVIH). „Es wur­den ja bereits mit SARS und MERS ers­te Erfah­run­gen gesam­melt, man konn­te also bereits auf Basis­for­schung zurück­grei­fen.“ Außer­dem kämen soge­nann­te Platt­form­tech­no­lo­gien* zur Anwen­dung. Die­se sei­en schon seit lan­gem im Ein­satz und wür­den nor­ma­ler­wei­se zur Her­stel­lung von ande­ren Impf­stof­fen oder für Immun­the­ra­pien gegen Krebs ver­wen­det (z.B. rekom­bi­nan­te Influ­en­za-Impf­stof­fe). Der gro­ße Vor­teil dar­an: Alle haben zumin­dest schon ein­mal ein kli­ni­sches Stu­di­en­pro­gramm durch­lau­fen, was bedeu­tet, dass auch die Zulas­sungs­be­hör­den bereits über ent­spre­chen­de Dos­siers dazu ver­fü­gen. Außer­dem haben die­se Platt­form­tech­no­lo­gien in den bis­he­ri­gen Stu­di­en bereits gezeigt, dass die damit her­ge­stell­ten Impf­stof­fe gut ver­träg­lich sind und eine schüt­zen­de Immun­ant­wort her­vor­brin­gen kön­nen.

Gal­lo-Dani­el betont: „Die Impf­stoff­her­stel­ler und ihre Koope­ra­ti­ons­part­ner konn­ten also zum Teil des­we­gen so schnell mit der Ent­wick­lung von Impf­stof­fen gegen COVID-19 begin­nen, weil es schon Erfah­run­gen mit ähn­li­chen Erre­gern gab und man sich auf bereits vor­han­de­ne Tech­no­lo­gien stüt­zen konn­te“ und ergänzt: „Zur­zeit sieht es so aus als hät­ten wir gleich zu Beginn meh­re­re Impf­stof­fe, die auf unter­schied­li­chen Tech­no­lo­gien beru­hen.“

Von Tot­impf­stof­fen bis mRNA-Impf­stof­fen
„Bei den Covid-Impf­stoff­kan­di­da­ten sind im Wesent­li­chen drei Kate­go­rien mit meh­re­ren Unter­ka­te­go­rien zu unter­schei­den“, erklärt Mag.a Sig­rid Has­lin­ger, Vize­prä­si­den­tin des ÖVIH. „Zum einen gibt es die soge­nann­ten Tot­impf­stof­fe, die man z.B. von den Influ­en­za- oder FSME-Impf­stof­fen her kennt. Auf einer ande­ren Tech­no­lo­gie basie­ren die soge­nann­ten Vek­tor­ba­sier­ten Impf­stof­fe. Die­se Tech­no­lo­gie ist zum Bei­spiel schon bei Impf­stof­fen gegen das Den­gue-Fie­ber oder gegen Ebo­la zum Ein­satz gekom­men. Die drit­te Kate­go­rie sind die mRNA-Impf­stof­fe, die eben­falls bereits vor Covid-19 ent­wi­ckelt wur­den und der­zeit auch gegen Toll­wut und Influ­en­za in Erpro­bung sind.“

Tot­impf­stof­fe: Impf­stof­fe mit abge­tö­te­ten Erre­gern oder Erre­ger­be­stand­tei­len
Gegen Covid-19 sind der­zeit inak­ti­vier­te Ganz­vi­rus-Impf­stoff­kan­di­da­ten oder rekom­bi­nan­te Pro­te­in Sub­u­nit-Impf­stoff­kan­di­da­ten in weit fort­ge­schrit­te­ner kli­ni­scher Ent­wick­lung. Ers­te­re sind seit Jahr­zehn­ten bewährt. Um sie her­zu­stel­len, wer­den infek­tiö­se Viren in Zell­kul­tu­ren pro­du­ziert, gerei­nigt und mit Hil­fe von phy­si­ka­li­schen oder che­mi­schen Pro­zes­sen abge­tö­tet. Damit sind sie anschlie­ßend nicht mehr infek­ti­ös.

Im Unter­schied dazu ent­hal­ten rekom­bi­nan­te Pro­te­in Sub­u­nit-Impf­stof­fe kei­ne voll­stän­di­gen abge­tö­te­ten Erre­ger mehr, son­dern nur klei­ne Tei­le davon. Bei den Covid-19-Impf­stoff­kan­di­da­ten wird die DNA mit dem Bau­plan für das Spike-Pro­te­in z.B. in Baculoviren**-DNA ein­ge­bracht. In wei­te­rer Fol­ge trans­por­tie­ren modi­fi­zier­te Bacu­lo­vi­ren die neue DNA-Sequenz in Wirts­zel­len, die dann gro­ße Men­gen des Anti­gens her­stel­len. Für den fina­len Impf­stoff wer­den die­se gerei­nigt und mit einem Adju­vans (Wirk­ver­stär­ker) ver­bun­den.

Vek­tor­ba­sier­te Impf­stof­fe: Abge­schwäch­te Viren als Vehi­kel
Bei den vek­tor­ba­sier­ten Impf­stof­fen nützt man ein ande­res abge­schwäch­tes Virus dazu, einen harm­lo­sen Teil der Erb­infor­ma­ti­on von SARS-CoV‑2 in eini­ge weni­ge Kör­per­zel­len zu trans­por­tie­ren. Es gibt zwei Arten von Vek­to­ren: ver­meh­rungs­fä­hi­ge (repli­zie­ren­de rekom­bi­nan­te Virus-Vek­to­ren) und nicht ver­meh­rungs­fä­hi­ge (nicht repli­zie­ren­de rekom­bi­nan­te Virus-Vek­to­ren). Im ers­ten Fall wer­den Masern­vi­ren als Trans­port­mit­tel ver­wen­det, im zwei­ten Fall Ade­no­vi­ren. Bei­den ist gemein­sam, dass der Kör­per nach dem Ein­brin­gen der Erb­infor­ma­ti­on von SARS-CoV‑2 das Anti­gen selbst her­stel­len muss, was in wei­te­rer Fol­ge eine Immun­re­ak­ti­on des Kör­pers her­vor­ruft.

mRNA-Impf­stof­fe: Ein­schleu­sung von Bau­plä­nen für Virus­pro­te­in
Ver­gleichs­wei­se neu ist die mRNA-Tech­no­lo­gie. Allein der Begriff führt lei­der immer wie­der zu Miss­ver­ständ­nis­sen und irr­tüm­li­chen Annah­men. Fest steht: Auch die­se Tech­no­lo­gie greift in das Erb­gut des Men­schen nicht ein. Der Zell­kern, in dem sich die DNA befin­det, bleibt völ­lig unver­än­dert. Außer­dem ent­ste­hen durch die­se Impf­stof­fe kei­ne ver­meh­rungs­fä­hi­gen Viren, son­dern nur unge­fähr­li­che Bestand­tei­le von SARS-CoV‑2.

Im Ver­gleich zu den ande­ren Impf­stoff­ar­ten setzt die­se Tech­no­lo­gie schon eine Stu­fe frü­her an, denn die in den Impf­stof­fen ent­hal­te­ne mRNA ent­hält nur den Bau­plan für ein Virus­pro­te­in von SARS-CoV‑2. Sie wird mit Hil­fe von Lipid-Nano­par­ti­keln in die Zel­len trans­por­tiert. Dort wird die mRNA als eine Art Blau­pau­se ver­wen­det, um das Virus­pro­te­in für begrenz­te Zeit selbst her­zu­stel­len. Dar­auf­hin kommt es wie bei allen ande­ren Impf­stoff­ar­ten zu einer Immun­re­ak­ti­on des Kör­pers gegen die­ses Virus­pro­te­in und dem Auf­bau des Immun­schut­zes.

Posi­ti­ve Pha­se-III-Daten
„Die ers­ten posi­ti­ven Pha­se-III-Daten haben gezeigt, dass gleich meh­re­re Tech­no­lo­gien funk­tio­nie­ren und die ent­spre­chen­den Impf­stof­fe in den nächs­ten Mona­ten auch in Öster­reich zur Ver­fü­gung ste­hen könn­ten. Wir hof­fen, dass dies – gemein­sam mit ande­ren Maß­nah­men – der Anfang vom Ende die­ser Pan­de­mie sein wird“, zeigt sich ÖVIH-Prä­si­den­tin Gal­lo-Dani­el über­zeugt.

* eine Art Bau­kas­ten­prin­zip, bei dem glei­che Grund­struk­tu­ren und Tech­no­lo­gien (Platt­for­men) ver­wen­det wer­den und nur die erre­ger­spe­zi­fi­sche Kom­po­nen­te aus­ge­tauscht wird.
**Bacu­lo­vi­ren sind insek­ten­pa­tho­ge­ne Viren, d.h. sie infi­zie­ren aus­schließ­lich Wir­bel­lo­se, wie bei­spiels­wei­se Insek­ten. Die gene­ti­sche Infor­ma­ti­on des Spike-Pro­te­in wird in das Bacu­lo­vi­rus ein­ge­bracht und das Virus infi­ziert sodann Insek­ten­zel­len, die dann das Spike-Pro­te­in in gro­ßen Men­gen her­stel­len.

Rück­fra­ge­hin­weis:

Mag.a Uta Mül­ler-Car­stan­jen
FINE FACTS Health Com­mu­ni­ca­ti­on
Mobil: +43 664 515 30 40
mueller-carstanjen@finefacts.at
www.finefacts.at